Vera Lossau

Bildende Künstlerin

Die 1976 in Haan geborene Künstlerin studierte von 1997 bis 2006 an der Kunstakademie in Düsseldorf mit abschließendem Meisterschülerbrief (Prof. Magdalena Jetelová und Prof. Rita McBride). 2004 machte sie am Chelsea College of Art and Design in London ihren Master.
Für ihr überaus vielfältiges Werk erhielt Vera Lossau zahlreiche Auszeichnungen und Stipendien, u.a. auch im Jahre 2009 den Künstlerinnenpreis NRW, 2015 das Stipendium für Künstlerinnen mit Kind “Präsenz vor Ort”. Ihre Arbeiten sind in privaten und öffentlichen Sammlungen vertreten und wurden in vielen Museen im In- und Ausland gezeigt. Seit Herbst 2019 lehrt sie an der Technischen Hochschule OWL „Grundlagen der Gestaltung, Schwerpunkt plastisches und räumliches Gestalten“. Vera Lossau lebt mit ihrer Famlie in Düsseldorf.

FKB: Du bist erst vor einigen Monaten zur Professorin an der TH Ostwestfalen-Lippe ernannt worden. Was bedeutet das für dich neben der finanziellen Sicherheit, die natürlich gerade jetzt in der Corona Krise alles andere als nebensächlich ist?

Vera: Es bedeutet zunächst einmal, einen spannenden, beeindruckenden Kollegenkreis kennenlernen zu dürfen. Es bedeutet auch den Auftrag, künstlerisches Denken und Handeln in einen anderen Kontext zu überführen, was herausfordernd ist. Ich lerne momentan ausgesprochen viel dazu.

FKB: Dein Werk ist ungeheuer vielfältig: Malerei, Zeichnung, Collage, Fotografie, Skulpturen, Installationen und Video. Es gibt kaum ein Material oder eine Darstellungsweise, die du bisher noch nicht ausprobiert hast. Was treibt dich zu dieser Polymorphie?


Vera:
Diese Offenheit ist Teil meines künstlerischen Ansatzes, dies und das Einkreisen etwas Unzeigbaren als Thema in meiner Arbeit. Es ist eine Alternative zum linearen Entwickeln von Arbeiten. Ich nutze diese freie Haltung gegenüber den eingesetzten Medien, um das, was ich selbst „offene Narrative“ nenne, jeweils wie einen vielschichtigen Text für die nächsten Ausstellungen, Publikationen etc. zu entwickeln.
Die Vielfalt an künstlerisch eingesetzten Medien ist nicht neu, wenn man an Rosemarie Trockel, Paul Thek oder Bruce Naumann denkt, und bei mir wird es zur Strategie, zum Gegenentwurf zu dem überkommenden Dogma von der Wiedererkennbarkeit von Kunst anhand von Material oder Ästhetik.

FKB: Viele deiner Arbeiten weisen eine gewisse Hintergründigkeit und Subversivität auf. Ich vermute mal, das ist Absicht..? Was willst du beim Betrachter erreichen?

Vera: Wahrnehmungsweisen von ihren allzu starren gewohnten Rahmenbedingungen zu lösen bedeutet, Raum für anderes, das sonst nicht zum Zuge kommt, zu schaffen. Das Subversive, auch noch so subtil eingesetzt, destabilisiert diese Wahrnehmungsgewohnheiten.
Das ist aber nur eine von vielen Ebenen in meiner Arbeit, selbstverständlich kann man auch in erster Linie den ästhetischen Aspekt einer Arbeit genießen. Die Verhandlung der Subjektivität und des Temporären in unserem künstlerischen Tun ist eines meiner Themen, und der Schmerz darum lässt sich durch Humor am Ende der Skala abfedern.

FKB: Welchen Einfluss hatten die Düsseldorfer Professoren Rita McBride und Magdalena Jetelová auf deine künstlerische Entwicklung?

Vera: Rita McBride und Magdalena Jetelová repräsentieren für mich zwei sehr starke Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Biographien. Magdalena Jetelová nahm mich in ihre Klasse auf, nachdem ich aus der Klasse von Helmut Federle, der damals Professor in Düsseldorf war, rausgeworfen worden war. Ihre Haltung gegenüber anderen Künstlern und Künstlerinnen ist generös, passioniert und warm.

FKB: Im Jahre 2015 warst du Stipendiatin des Programms “Präsenz vor Ort”. Damals war dein Sohn noch im Säuglingsalter. War es dir in der Zeit überhaupt möglich zu arbeiten?

Vera: Ich war flexibel. Damals entstanden nachts am Küchentisch Collagen, nachdem ich aufgrund der Schwangerschaft nicht mehr schwer heben und mit Chemikalien arbeiten durfte, und das führte ich fort.
Unser Haushalt ist progressiv, feministisch und wir sind Künstler. Das half und hilft, wenn es darum geht, Kunst zu realisieren.

FKB: Gibt es etwas, dass du jungen Künstlerinnen raten würdest, um erfolgreich zu werden?

Vera: Es ist mehr denn je notwendig, dass wir Künstlerinnen eine großzügige Haltung zueinander entwickeln, zusammenhalten und dass dies als gemeinsame Strategie erkannt wird.
Im Netz kursiert ein Video, in dem man Courtney Love’s Ratschlag, den sie 2005 jungen Schauspielerinnen, die nach Hollywood kamen gab: „If Harvey Weinstein invites you to a private party in the Four Seasons, don’t go.”, dem schließe ich mich an. (…eine der vielen Quellen für das Zitat:
https://edition.cnn.com/2017/10/16/entertainment/courtney-love-harvey-weinstein/index.html
The video, which was first surfaced by TMZ, was shot in 2005 on the red carpet for the Pamela Anderson Comedy Central Roast.)
Das Interview führte Heidi Matthias