Pro Quote Kultur

Pro Quote Film zur Coronakrise:

Eine Frauenquote ist jetzt überfällig, Die Brancheninitiative fürchtet, dass weibliche Filmschaffende von den Folgen der Krise am stärksten betroffen sein werden.

Der Tagesspiegel, 14.5.2020, von Dunja Bialas
Jüngst warnte Jutta Allmendinger, die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, davor, dass Frauen langfristig eine „entsetzliche Retraditionalisierung“ erfahren würden. Homeoffice, Kinderbetreuung und Home-Schooling ist der Corona-Dreiklang der Unvereinbarkeit, der nun zumeist die Frauen in die Pflicht nimmt, während sich Männer gerade als Krisenerklärer profilieren. Ähnlich sieht das auch in der deutschen Filmbranche aus, so fürchten zumindest die Vertreterinnen der Initiative Pro Quote Film.
Corona habe einen „Backlash“ eingeleitet, der nur durch konkrete Maßnahmen verhindert werden könne, mahnt die Vorsitzende Barbara Rohm auf einer am Donnerstag einberufenen Pressekonferenz zum Thema „Corona und die Folgen“. Neben dem Stillstand, den die Vertreterinnen der Gewerke feststellen, beklagt die Schauspielerin Maren Kroymann auch die Ignoranz der Branche: „Wenn wir uns zeigen, sieht man uns nicht. Wenn wir uns nicht zeigen, vermisst man uns nicht.“
Weniger Risiko bei den Geldgebern
Von einer Veränderung der Inhalte berichtet die Drehbuchautorin Silke Cecilia Schultz. „Geschichten werden umgeschrieben und coronatauglich gemacht. Rausgeschrieben werden die Risikogruppen der älteren Menschen. Das betrifft in ganz starkem Maße ältere Schauspielerinnen, die auch schon vor Corona eine schlechte Auftragslage hatten.“ Frauen verlören hier in doppeltem Maße, da sich stereotype Rollenmuster ohnehin hartnäckig hielten. Das müsse sichtbar gemacht werden, um neue Themen und Perspektiven für den Film zu eröffnen. „Leute wollen ihr Leben gespiegelt sehen“, so Rohm.
Wenn der Stopp der Filmproduktionen erst vorbei ist, rechnen die Gesprächsteilnehmerinnen mit einer heruntergefahrenen Risikobereitschaft der Geldgeber. Die Zäsur von Corona sollte, fordert etwa die Produzentin Meike Kordes, dazu genutzt werden, um beim Wiederanfahren des Filmbetriebs endlich die seit Jahrzehnten geforderte „Gender Equality“ umzusetzen. Auf Freiwilligkeit oder gar Solidarität könne man nicht setzen. „Es geht um Geld, es geht um Macht. Beides gibt keiner gerne her.“
Daher verweist die Autorin Stefanie Eisenschenk auch auf die Notwendigkeit, einen Frauenanteil und Diversität in der Novellierung des Filmförderungsgesetzes festzuschreiben, die jetzt „trotz Corona auf den Weg gebracht werden muss“. Hintergrund ist, dass Staatsministerin Monika Grütters zu Beginn der Pandemie die bevorstehende FFG-Novelle auf Eis gelegt hat.


Maren Kroymann:

„Wir müssen lauter werden“

dpa, 14.05.2020: Die Schauspielerin ruft ihre Geschlechtsgenossinnen auf, zu zeigen, was sie können. „Wir müssen fordern, dass man uns sendet“, sagte sie.
Die Schauspielerin Maren Kroymann (70) hat mehr Sichtbarkeit für Frauen in Film, Fernsehen und Kabarett gefordert. „Wir müssen uns selber melden. Wir müssen lauter werden als wir es sind“, sagte sie am Donnerstag.
Frauen müssten zeigen, was sie können. „Wir müssen fordern, dass man uns sendet.“
Mit dem Verein Pro Quote Film rief sie dazu auf, die Coronakrise zu nutzen. „Wir müssen jetzt die Strukturen setzen für die Zukunft.“ Frauen müssten in gleicher Weise Anteil haben an den entscheidenden Positionen, hinter der Kamera und vor der Kamera.
Der Verein warnte, die Coronavirus-Pandemie treffe Frauen hart. Etwa Drehbuchautorinnen, die nebenher ihre Kinder im Homeoffice betreuen müssten. Oder auch Theatermacherinnen, die seltener in festangestellten Positionen arbeiteten.
Kroymann warnte davor, ältere Schauspielerinnen und Schauspieler nun aus fiktionalen Produktionen heraus zu schreiben. Sie selbst habe das noch nicht erlebt, aber aus ihrem Umfeld gehört.
Die Kabarettistin hat ihre eigene ARD-Satiresendung „Kroymann“. Bei ihrer ersten TV-Produktion „Oh Gott, Herr Pfarrer“ in den 1980ern habe sie ins Drehbuch eingegriffen wegen Schwächen beim Frauenbild. Und sie habe sich einen angetrunken „mit einem Piccolo“, zum Telefon gegriffen und beim Dramaturgen eine höhere Gage verhandelt.


ProQuote Medien stellt Studie vor:

Im Rundfunk sind Frauen in Spitzenpositionen die Minderheit

Berlin, 22.11.2018
Der erste Teil der Studie „Welchen Anteil haben Frauen an der publizistischen Macht in Deutschland?“ wurde heute vorgestellt. ProQuote Medien diskutierte die Ergebnisse beim Deutschlandradio in Berlin mit führenden Persönlichkeiten aus Politik und Medien, darunter Bundesfrauenministerin Dr. Franziska Giffey.
Im Ergebnis schneiden die Deutsche Welle und der Rundfunk Berlin-Brandenburg am besten ab: Beide Anstalten erfüllen die Forderung von ProQuote Medien nach der Hälfe der redaktonellen Macht für Frauen. Die Deutsche Welle erreicht einen gewichteten Frauenmachtanteil von 51,9 Prozent, der RBB 51,0 Prozent. Auch WDR (44,6 Prozent), NDR (40,1 Prozent) und ZDF (39,4 Prozent) befinden sich auf dem Weg zu einer ausgeglichenen Teilhabe der Geschlechter in Spitzenpositonen. Die Führungsebenen kleinerer Anstalten wie Radio Bremen (32,2 Prozent), Saarländischer Rundfunk (25,6 Prozent) und Deutschlandradio (24,3 Prozent) sind hingegen noch weitgehend männlich geprägt. Grundlage der Zählung waren die Organigramme von zwölf öfentlich-rechtlichen Sendern, ausgewertet wurden jeweils die vier obersten Hierarchieebenen.
Der private Rundfunk stellte keine Organigramme zur Verfügung, sodass vergleichbare Aussagen zu Frauenmachtanteilen nicht möglich waren. Festzuhalten bleibt aber, dass das Top-Management der RTL-Gruppe aus einer Frau und elf Männern besteht und ProSiebenSat.1 in den obersten drei Führungsebenen einen Frauenanteil von 19,8 Prozent erreicht.
In weiteren Auswertungen hat ProQuote Medien unter anderem 136 Studioleiter und Korrespondenten im Ausland gezählt (Frauenanteil: 31,6 Prozent) sowie 149 öfentlich-rechtliche und private Programmleitungen im Hörfunk (Frauenanteil: 24,8 Prozent). Vor allem im privaten Rundfunk dominierten die Männer. Zitate aus Gesprächen mit Gleichstellungsbeaufragten sowie Angaben zu frauenfördernden Maßnahmen der Sender runden die Betrachtungen der Studie ab.
ProQuote Medien diskutert die Ergebnisse am heutgen Donnerstag beim Deutschlandradio in Berlin mit führenden Persönlichkeiten aus Politk und Medien. Teilnehmer der von Sandra Maischberger moderierten Debate sind die Bundesfrauenministerin Dr. Franziska Gifee, ZDF-Chefredakteur Dr. Peter Free, Senior Vice President ProSiebenSat.1 Media SE Annete Kümmel, NDR-Intendant Lutz Marmor, Deutschlandfunk-Chefredakteurin Birgit Wentzien und ProQuote-Vorstandsmitglied Sabine Stamer.
Die Studie wurde gefördert und unterstützt vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
proQuote.de


ProQuote Regie:

Warum auf #MeToo eine Stiftung folgen muss

Die Filmbranche ist durch #MeToo aufgerüttelt worden. Viele Einzelinitiativen können nicht den nötigen Wandel bringen. Eine Stiftung muss her, fordern die Autorinnen Jutta Brückner und Claudia Lenssen in der „Der Spiegel“-Ausgabe vom 8. 8. 2018.
Bei jeder großen Bewegung gibt es Trittbrettfahrerinnen und Exzesse, das gilt auch für #MeToo. Aber wir verdanken dieser Bewegung Risse im unbedachten Einverständnis darüber, dass die Welt noch immer nach männlichen Vorgaben funktioniert, gerade auch im Kulturbereich und ganz besonders im Bereich der bewegten Bilder.
Heute stöckeln Frauen nicht mehr mit einem Champagnerglas in der Hand und dem heftigen Willen zur Fuckability zum nächsten Taxi, das sie wie in „Sex and the City“ zu Mr. Big bringt. Sie wollen, dass die Macht über die Bilderproduktion, die unser Bewusstsein vom Verhältnis der Geschlechter prägt, neu verteilt wird. Wir brauchen deshalb einen kulturellen Neustart und grundsätzliche Strukturveränderungen, denn der Wandel lässt sich nicht mehr aussitzen.
Eine Streitschrift wie die „Frankfurter Positionen“, die beim Lichter Filmfest in Frankfurt am Main entstand, zeugt davon, dass es dieses Bewusstsein auch in Deutschland gibt. Dabei berieten nicht einzelne Branchenvertreter über eigene, beschränkte Interessen, sondern Leute aus der Filmproduktion, dem Vertriebs- und Abspielbereich, der Filmbildung und Programmtätigkeit machten sich gemeinsam Gedanken darüber, was sich ändern muss.
Das Manko bei diesem Positionspapier: Die Forderung nach mehr Diversität und gleichen Chancen für weibliche Kreative kam am Schluss des Papiers „auch noch“ vor – allerdings ohne dass über Maßnahmen, wie der Anteil der Frauen am Filmgeschäft zu erhöhen sei, ernsthaft nachgedacht worden war. Dabei haben Studien die strukturelle Benachteiligung von Frauen nachgewiesen.

Der Anteil der Regisseurinnen im deutschen Kino und Fernsehen liegt je nach Zählweise zwischen 11 und 24 Prozent, und das, obwohl zwischen 40 bis 60 Prozent aller Filmstudierenden Frauen sind. Die „Gender-Lupe“, ein Monitoring der filmpolitischen Fachkorrespondenz Black Box, belegt, dass regionale Filmförderungen in Deutschland nur zwischen 14 % (Medienboard Berlin-Brandenburg) und 22 % (Filmstiftung NRW) der Projektgelder an Regisseurinnen vergeben, der Deutsche Filmförderfonds DFFF 12 % und die Förderung des Staatsministeriums für Kultur und Medien immerhin 35 %.(black box, Nr. 268, September 2017).

Frauen müssen mit einer um 25 Prozent schlechteren Bezahlung auskommen.

Eine Studie hat nachgewiesen, dass männliche Regisseure drei Euro für denselben Aufwand benötigen, den Regisseurinnen mit nur einem bewältigen.

Weibliche Charaktere sind im Film und Fernsehen entweder stark unterrepräsentiert oder Schablonen, jenseits der vierzig droht ihnen das Verschwinden.

Und Projekte, die sich offensiv von dem beschränkten und misogynen Frauenbild, vor allem des Fernsehens, absetzen oder andere Erzählmodelle wagen, werden blockiert. Die aktuelle Studie der renommierten Annaberg School belegt das Dilemma im transationalen Blockbuster-Kino.

Deshalb fordert Pro Quote Film, den weiblichen Anteil in allen Gewerken, nicht nur der Regie, auf 50 Prozent zu erhöhen; und auch das Kulturstaatsministerium hat ein Projektbüro – mit einer Dreiviertel-Planstelle besetzt – gegründet, das Daten sammeln und Mentorinnen mit jungen Frauen in Kreativberufen zusammenführen soll, um für „bessere Aufstiegschancen, mehr Mitsprache in Gremien und Jurys, faire Bezahlung und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ zu trommeln.

Zur Debatte

#MeToo und dramatische Einbrüche bei den Zuschauerzahlen haben die deutsche Filmbranche verunsichert. Was muss sich ändern? Wie kann das Publikum besser erreicht werden? Wie können die Arbeitsbedingungen verbessert werden, damit Kreativität mehr Raum hat und Missbrauch verhindert wird? In loser Folge veröffentlichen wir an dieser Stelle Gastbeiträge aus der Branche mit konkreten Reformvorschlägen. Bisher erschienen: „Macht und Missbrauch an Filmsets: Wie wir neues Vertrauen schaffen können“ von Jan Krüger
Das klingt nach einer der vielen Kommissionen, die etwas prüfen sollen, was doch schon jeder weiß, denn diese Daten gibt es schon auf vielen Ebenen. Es reicht aber nicht, einzelne Frauen zu ermächtigen, Karriere zu machen in einem System, das weder wirtschaftliche noch herausragende künstlerische Erfolge erzielt und das die Vorurteile bestätigt, in denen wir alle, Männer wie Frauen, gefangen sind. Weibliches Empowerment ist ohne grundlegende Änderungen in der Produktionswirklichkeit in Deutschland nicht denkbar.

Checkliste für Drehbücher

Hier und da gibt es seit einiger Zeit Ansätze, das zu ändern. Die mächtige Filmrechtefirma Degeto hat eine Checkliste für Drehbücher eingeführt, bei der ganz genau geschaut wird, welche Frauen- und Männerbilder erzählt werden. Die Filmschulen wollen die Lehre künftig paritätisch gestalten und mehr auf gendersensibles Erzählen achten.
Damit aber die immer wieder stotternde Emanzipation, die in England und Schweden schon um einiges weiter ist, auch bei uns vorankommt, brauchen wir eine neue Stiftung, die sich den Kampf um die Geschlechtergerechtigkeit in den Medien auf die Fahnen geschrieben hat. Sie soll eine Plattform sein zur Sichtbarmachung und Stärkung weiblichen Filmschaffens, was die gesamte Filmkunst und Filmkultur in Deutschland beleben würde.
Die Stiftung hat zwei Ziele. Das erste ist der Erhalt und die Sichtbarmachung der Filme von Frauen und ihre Nutzbarmachung als Teil des nationalen Kulturerbes. Denn die Filme von Frauen spielen im öffentlichen Bewusstsein, in der Lehre an Schulen und Universitäten und im Kanon des deutschen Films derzeit keine Rolle. Es ist so gut wie vergessen, dass es in den Sechziger und Siebzigerjahren schon einmal eine starke Bewegung filmender Frauen gegeben hat, die auch international als wichtiger Teil deutscher Filmkultur anerkannt war.
Wir wissen, dass es keine Zukunft gibt, wenn man sich nicht der Vergangenheit bewusst ist. Die großen Lücken in der bisher spärlich aufgearbeiteten weiblichen Filmgeschichte müssen gefüllt werden. Die Filme von Frauen müssen digitalisiert, in Videoeditionen verfügbar gemacht und für Retrospektiven in Bildungseinrichtungen und Festivals aufbereitet werden. Nur so, über Vorbilder, kann das Bewusstsein junger Frauen gestärkt werden, dass der Kanon des deutschen Filmschaffens, der sich bisher immer einseitig auf das Schaffen von Männern bezieht, auch für sie offen sein wird.
Das zweite Ziel ist die Entwicklung von Programmen, Weiterbildungen, Netzwerken und Plattformen für den Filmbereich mit dem Ziel eines Kulturwandels hin zu mehr Vielfalt. Das kann von der neuen Stiftung durch eine Fülle von Maßnahmen vorangetrieben werden: Zum Beispiel durch digitale Vernetzungsplattformen und Netzwerktreffen, in denen Frauen vom Wissen anderer Frauen profitieren und Empfehlungslisten für Schulen und Hochschulen, die weibliches Filmschaffen in den Unterricht einbeziehen.
Dazu gehören auch gezielte Fortbildungen für alle, Männer und Frauen, die in der Produktion, in den Gremien und Kommissionen und an Hochschulen tätig sind, um stereotype Wahrnehmungskriterien bei der Beurteilung von Projekten und Personen sichtbar zu machen und Perspektiven zu erweitern. Der größte Feind der Entwicklung zu mehr Gender-Gerechtigkeit ist nämlich nicht so sehr der böse Wille, sondern die stumpfe Gewohnheit, dass das, was ist, auch gut und richtig ist.

Ständiges Monitoring

Ein weiterer wichtiger Arbeitsschwerpunkt wird ein ständiges Monitoring sein, wie groß der Anteil weiblichen Filmschaffens in den Kommissionen der Filmförderung und des Fernsehens ist. Und dazu gehört die Verpflichtung, dass alle Institutionen, die öffentliche Gelder vergeben, Rechenschaft über die von ihnen geförderten Projekte ablegen müssen. Transparenz, wie sie inzwischen auch von der Industrie gefordert und zum Teil praktiziert wird, ist nämlich in der deutschen Filmlandschaft, wo kein Projekt ohne die Hilfe des Fernsehens und der Fernsehanstalten realisiert werden kann, in weiten Teilen ein Fremdwort.
Die Stiftung will und muss zudem die Auseinandersetzung mit Erzählstilen und Dramaturgien befördern, denn die bisher üblichen schreiben Geschlechterverhältnisse in Stereotypen fest: der Mann als Held, die Frau als love interest. So werden mediale Frauenfiguren in Männerphantasien eingepasst. Die Stiftung fördert Initiativen, in denen andere Möglichkeiten von Erzählformen in Filmen, Serien und Computerspielen erforscht werden. Sogar in Hollywood sprechen es die guten Dramaturgen heute aus: „Die männliche Dramaturgie sagt: divide and conquer. Die weibliche sagt: combine and grow. Der weiblichen Dramaturgie gehört die Zukunft.“
Vorbilder für Status und Organisation der Stiftung sind die Murnau-Stiftung und die DEFA-Stiftung und ihre Finanzierung durch öffentliche Gelder muss diesen Stiftungen entsprechen. Sie soll in dem Berlin geplanten Filmhaus gleichberechtigt mit und neben den anderen Institutionen ihren Platz finden, denn die Zeit, in der die Kulturproduktion von Frauen am Katzentisch saß und allenfalls wohlwollend betätschelt wurde, ist vorbei.
Jutta Brückner ist Autorin von Drehbüchern und Texten und Filmemacherin von international preisgekrönten Spiel- und Dokumentarfilmen. Sie bereitet einen Kinofilm vor und hat gerade einen Roman beendet. Claudia Lenssen arbeitet als Filmkritikerin und Autorin in Berlin. Mit Bettina Schoeller-Bouju gab sie 2014 die Anthologie „Wie haben sie das gemacht?“ mit 80 Karriereberichten von weiblichen Filmkreativen heraus.


BURNING ISSUES
1. Treffen der Theatermacherinnen in Bonn am 11. März 2018

Schauspieldirektorin Nicola Bramkamp und Lisa Jopt, Schauspielerin am Schauspielhaus Bochum, hatten für den 11.3. 2018 zu BURNING ISSUES , einem ersten Treffen der Theatermacherinnen ans Theater Bonn eingeladen. In ausschließlich weiblicher, informeller Runde wurde der Status Quo ermittelt und die Stimmung im Land erforscht. Eingeladen waren die Fachfrauen Sonja Anders (designierte Intendantin am Schauspiel Hannover), Lisa Basten(Wissenschaftlerin und Autorin des Buches „Wir Kreative! Das Selbstverständnis einer Branche“), Yvonne Büdenhölzer (Leiterin des Theatertreffens der Berliner Festspiele) sowie Angelika Zacekund France Damian (Pro Quote Bühne), die in Keynotes Impulse gaben. Nach Diskussionen sowohl in Arbeitsgruppen als auch im Plenum, die sämtlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden, kristallisierten sich sechs Themenschwerpunkte für die weitere Arbeit heraus:

1. Die Abschaffung der ungleichen Bezahlung von Männern und Frauen.
2. Die Schaffung von familienfreundlicheren Strukturen an den Theatern.
3. Die Erhöhung des Anteils von Frauen in allen Ressorts.
4. Die Ahndung von Machtmissbrauch und sexuellen Übergriffen.
5. Die Reform von vorherrschend patriarchal orientierten Führungsstrukturen.
6. Der Wunsch nach mehr Diversität, Inklusion und Solidarität.

Wie es in einer Presseaussendung des Theaters Bonn heißt, werden sich alle „Teilnehmerinnen kraft ihrer Ämter und Talente für einen Kulturwandel einsetzen und an der weiteren Konkretisierung und Durchsetzung der Themenschwerpunkte arbeiten“.

Nächste Schritte
Konkrete Maßnahmen sollen sein: „die Vernetzung zum Thema Jobangebote und Gagenverhandlungen, das Hinwirken auf die Veränderung des Stücke-Kanons hin zu mehr Geschlechtergleichheit und Diversität, die finanzielle Beteiligung an Kinderbetreuungskosten durch den Arbeitgeber, die vermehrte Nutzung von bereits bestehenden Instrumenten der Interessenvertretung wie Gleichstellungsbeauftragte, Personalräte, Betriebsräte und Ensemblesprecher*innen“.

Resumee der Initiatorinnen
Laut der Presseaussendung erklärte Lisa Jopt nach dem Treffen: „Dies war ein weiterer wichtiger Schritt für alle Menschen – Männer wie Frauen –, die Interesse an einem Paradigmenwechsel im Theater haben. Wenn die Ergebnisse der Konferenz schnell umgesetzt werden, bedeutet dies unmittelbare Konsequenzen für die Lebensqualität und künstlerische Exzellenz aller Beteiligten. Nur unter Frauen zu sein ist ein Ereignis.“ Und Nicola Bramkamp ergänzte: „Wir haben mit ‚Burning Issues‘ einen kräftigen Aufschlag gemacht und sind überwältigt von der Energie der teilnehmenden Frauen. Es wird definitiv eine Folgeveranstaltung und weitere Arbeitsgruppen geben. Es wurde deutlich, dass die Frauen bereit sind, ihre Themen mit Nachdruck zu verfolgen. Oder wie eine Teilnehmerin sagte: Wir wollen nicht die schimmlige Hälfte. Wir wollen einen neuen Kuchen!“ (Theater Bonn / jnm)


„Pro Quote Film“: Neue Initiative fordert Frauenquote für die Filmbranche

Es gibt ein unausgewogenes Geschlechterverhältnis vor und hinter der Kamera

Deutschlandfunk, 31.1.2018 von Anna Wollner: Es schwelt. Es grollt im Untergrund und ich glaube, dass das alle fühlen, das es jetzt an der Zeit ist bestimmte Dinge neu zu verhandeln. Wir haben keine Lust mehr auf die systematische Benachteiligung von Frauen in der Filmbranche, in allen Branchen, aber wir sprechen jetzt von unserer Branche und wir wollen, dass sich was ändert“, sagt die  Schauspielerin Jasmin Tabatabai am Rande der Pressekonferenz der Initiative Pro Quote Film. Schon vor drei Jahren, wurde Pro Quote Regie gegründet, die Umbenennung in Pro Quote Film jetzt sei eine Erweiterung auf alle Gewerke in der Filmbranche, der Handlungsbedarf enorm:
„Wir brauchen die Quote, weil es hier beim deutschen Film, alle deutschen Filme werden mit öffentlichen Geldern gefördert und wo es öffentliche Gelder gibt, die verteilt werden, muss es gerecht zugehen und das tut es nicht. Die Zahlen, die wir heute gehört haben, belegen das eindeutig.“

Schlüsselfunktionen und Risikofaktoren
Es sind Zahlen, die nicht neu sind, die aber immer noch erschrecken. In den kreativen Schlüsselpositionen in der Filmbranche herrscht ein massives Ungleichgewicht. Während Frauen immer noch als Risikofaktor gelten, haben Männer vor allem eins: Potential. Im Bereich Ton arbeiten 91 Prozent Männer, fünf Prozent gemischte Teams und nur vier Prozent Frauen, bei der Kamera sind es 85 Prozent gegen 10, bei Regie 74 Prozent gegen 21. Nur die Hälfte aller Frauen, die an Filmhochschulen ausgebildet werden, arbeiten tatsächlich in ihrem Beruf. Die andere Hälfte wechselt die Branche.
Die Drehbuchautorin Doreen Schön bringt es auf den Punkt: „Es ist schwer zu beweisen ob man als Frau gut oder besser wäre, wenn man nicht die Chance bekommt es zu zeigen. Und mächtige Menschen, damals waren es ausschließlich ältere weiße Männer, die jemanden wie Dieter Wedel für ein Genie hielten, fördern am liebsten natürlich Stoffe, die ihre persönliches Erfolgsnarrativ stützen. Was ist das Ergebnis dieses selbstreferentiellen Systems. In meinem Gewerk werden seit Jahren annähernd 50 Prozent Frauen ausgebildet, aber in der beruflichen Wirklichkeit wird ihre Zahl auf 23 Prozent mehr als halbiert. Was soll ich jungen Autorinnen an den Hochschulen sagen? Studiert, hängt euch rein, aber wundert euch nicht, wenn die Hälfte von euch anschließend spurlos verschwindet.“

Fatale Konsequenzen für filmische Inhalte
Es sei nicht nur unfair und diskriminierend gegenüber den Autorinnen, sondern hab auch fatale Konsequenzen für die filmischen Inhalte. Denn die Genderverteilung bei Film- und Fernsehproduktionen ist erschütternd, Frauen über 35 verschwinden langsam aber sicher von den Leinwänden, die Darstellung der Geschlechter ist meist stereotyp verzerrt. Die Initiative Pro Quote Film fordert daher unter anderem eine 50 Prozent Quote mit ausgewogenen Verhältnissen, Parität in Gremien, Gendermonitoring, gerechte und gleiche Bezahlung, Genderkompetenz und Innovation gegen Stereotype, eine Aufarbeitung des Filmerbes mit Aufnahme von Frauen in den Kanon und Diversität als Erfolgsfaktor. Ein Mammutprojekt, das weiß auch die Produzentin Kerstin Ramcke: „Es ist eine schwere Aufgabe, das ist gar keine Frage, aber ich finde es ermutigend, dass die Initiative Pro Quote Regie in den drei Jahren schon sehr viel erreicht hat, eigentlich erstaunlich viel, wenn man überlegt wo wir angefangen haben. Wir müssen jetzt mit aller Macht in die Politik, in die Verbände, an die Sender, an die Leute ran, wir sind ein Menschengeschäft, das ist ganz klar. Es gibt auch viele Frauen, die anderer Meinung sind, das muss man auch sagen, die muss man überzeugen hoffentlich. Das ist ein langer Weg. Ich glaube nicht, dass wir das in ein paar Jahren schaffen. Aber wenn man sich so eine Zehn-Jahres-Strecke nimmt sollte man es hinkriegen.“
Bei den deutschen Filmfrauen, das ist bei der Vorstellung der neuen Agenda zu spüren, herrscht Aufbruchsstimmung.


Wo sind die Frauen?

8. Oktober 2017.
Ab sofort setzt sich ab sofort der neugegründete Verein Pro Quote Bühne für mehr Geschlechtergerechtigkeit an deutschen Bühnen ein. Mit einer Pressekonferenz im Deutschen Theater Berlin trat der Verein um die vier Regisseurinnen Angelika Zacek, France-Elena Damian, Amina Gusner
und Eva Jankowski gestern an die Öffentlichkeit und veröffentlichte ein Manifest. Darin wird eine Frauen-Quote von 50 Prozent in künstlerischen Führungspositionen gefordert: 50 Prozent Inszenierungen von Regisseurinnen auf den großen Bühnen, 50 Prozent Hausregisseurinnen, 50 Prozent Schauspieldirektorinnen und Intendantinnen. Es gebe „genug qualifizierte Frauen“, so Vorstandsmitglied Angelika Zacek gegenüber nachtkritik.de: „Von den Hochschulen kommen genug Frauen mit Regie-Ausbildung, es gibt 51 Prozent Regieassistentinnen, und man fragt sich: Wo bleiben die denn dann? Das Potential ist da.“
Die Aktivistinnen stützen ihre Kritik an dem von Männern dominierten Theaterbetrieb u.a. auf die von Kulturstaatsministerin Monika Grütters in Auftrag gegebene Studie „Frauen in Kultur und Medien“ vom Deutschen Kulturrat (erschienen 2016). Dieser zufolge werden 78 Prozent der Theater von Männern geleitet. Mit über 70 Prozent aller Inszenierungen dominieren männliche Regisseure die großen Bühnen. Im Kontrast dazu bestehe das Publikum, so Mitgründerin Amina Gusner, „zu zwei Dritteln aus Frauen“. Regieführende Frauen seien zum Großteil auf Nebenspielstätten zu finden und häufig fürs Kinder- und Jugendtheater zuständig. Während die Theater der Gesellschaft den moralischen Spiegel vorhalten würden, zeigten sie sich hinter der Bühne „unkritisch gegenüber den eigenen Machtstrukturen“, heißt es im Manifest.
Neben der Quote fordert „Pro Quote Bühne“, die sich auch der Berliner Erklärung 2017anschließen, eine paritätische Besetzung von Kommissionen, in deren Verantwortung die Besetzung von Intendanzen fällt, außerdem die Offenlegung der Verwendung von öffentlichen Mitteln in Bezug auf ihre Verteilung auf Männer und Frauen, Lohngleichheit bei gleicher Leistung und Strukturänderungen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie am Theater verbessern. Ziel sei ein Theater, „das die Belange aller Menschen widerspiegelt“ und „nach innen so aufgestellt ist, wie es das Grundgesetz vorsieht. Das heißt: Ein Theater, das die Gleichberechtigung lebt und die Vielfalt an gesellschaftlichen Rollenbildern thematisiert und hinterfragt.“
Zu den Unterstützer*innen der Initiative zählen u.a. Sonja Anders, Sibylle Berg, Marie Bues, Yvonne Büdenhölzer, Florian Fiedler, Katja Haß, Susanne Kennedy, Stephan Kimmig, Matti Krause, Andreas Leupold, Laura Naumann, Sebastian Nübling und Katja Riemann.
Über die Zielsetzungen von Pro Quote Bühne sprachen France-Elena Damian und Angelika Zacek im Interview mit Sophie Diesselhorst und Anne Peter.


Die Quote Regie in Film und Fernsehen

Auf Einladung des Frauenkulturbüros NRW erörterten am 11.6.2015 maßgebliche Entscheidungsträger/innen aus den Bereichen Film, Fernsehen und Politik im Rahmen des Medienforums NRW in Köln die aktuelle Situation und die perspektivischen Handlungsmöglichkeiten für mehr Gendergerechtigkeit in der nordrhein-westfälischen Film- und Fernsehbranche.

Dokumentation


Naht das Ende der freiwilligen Selbstverpflichtung?

Warum die Quote sein muss.

Nicht nur Frauen im Allgemeinen, sondern auch Künstlerinnen geben nicht nach, Gleichberechtigung einzufordern. Selbst diejenigen, die sich den Themen Feminismus und Emanzipation beharrlich verweigern, erkennen, dass die Stagnation unter der Gläsernen Decke des Kunst- und Kulturmarktes nicht unbedingt individuell, sondern vor allem auch strukturell zu begründen ist.
Verschiedene Initiativen deutscher Fachfrauen machen inzwischen öffentlichkeitswirksam auf die Notwendigkeit einer Quotenregelung aufmerksam. 2012 starteten 350 Journalistinnen mit pro quote  von der Volontärin bis zur Fernsehintendantin einen Aufruf, endlich die Führungspositionen in der Medienlandschaft, allen voran in den öffentlich rechtlichen Fernsehanstalten zumindest zu 30 % mit Frauen zu besetzen.
Der 2015 gegründete Verein von Filmemacherinnen in Deutschland, Pro Quote Regie fordert eine Quote für die Vergabe von Regieaufträgen im Fernseh- und Filmbereich, und zwar 30% in 3 Jahren, 42 % in 5 Jahren. Mit pointierter  Medienarbeit gelingt es ihnen, die öffentliche Diskussion virulent zu halten.

Der Pro Quote Vorstand auf der Berlinale 2015

Der Pro Quote Vorstand auf der Berlinale 2015

Pro Quote Regie fordert Gendergerechtigkeit im Rundfunkstaatsvertrag

Berlin, 26.2.2015.  Anlässlich der aktuellen Überarbeitung des 17. ZDF Rundfunkstaatsvertrages fordert Pro Quote Regie die gendergerechte Verteilung von öffentlich-rechtlichen Geldern fest im Staatsvertrag zu verankern. Bislang sieht der Entwurf des Vertrages dieses nicht vor.
Dabei sind diese Tatsachen alarmierend: Nur etwa 11 Prozent der Sendeminuten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen werden von Frauen inszeniert. In der Sonntagabend Primetime sind es nur 3,6 Prozent. Bei lediglich drei von 36 Tatortproduktionen führten Frauen im Jahre 2013 Regie. An Krimiformaten wie SOKO Leipzig, In aller Freundschaft, Donna Leon, Nord Nord Mord arbeitete zwischen 2010 und 2013 nicht eine einzige Regisseurin. Bei Großstadtrevier oder SOKO Wismar waren es keine drei Prozent.
„Unsere Gesellschaft in ihrer Vielfalt repräsentiert das öffentlich-rechtliche Fernsehen damit nicht“, warnt Pro Quote Regie Vorständin Esther Gronenborn. Der Verein Pro Quote Regie, ein Zusammenschluss von 300 Regisseurinnen und ebenso vielen prominenten Unterzeichnern aus der deutschen Filmbranche, fordert daher einen Gleichstellungsparagraphen in den ZDF-Rundfunkstaatsvertrag mit aufzunehmen. Gronenborn: „Die Neufassung des Staatsvertrages bietet endlich die Möglichkeit, dieser Schieflage zumindest im ZDF entgegenzuwirken.“
Schweden gilt den Filmemacherinnen dabei als Vorbild: Mit einfachen Gesetzesänderungen und Zielvorgaben wurde dort Innerhalb von zwei Jahren die Förderquote von Projekten mit entweder einer Regisseurin und/oder einer Produzentin und/oder einer Drehbuchautorin von 15 Prozent auf 45 Prozent angehoben. Das Gegenargument auch der deutschen Branche „es gäbe gar nicht genug Frauen“ wurde dort schnell widerlegt. Deshalb fordert Pro Quote Regie auch einen Gleichstellungsparagraphen für die aktuelle Novellierung des Filmfördergesetzes.
Lediglich eine Selbstverpflichtung, wie es das ZDF vorsieht, hat in der Vergangenheit hingegen in Deutschland zu keinem Ergebnis geführt. „Um Geschlechtergerechtigkeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu erreichen, brauchen wir klare Gesetze und Anreize für Produzenten, Förderer und Sendeanstalten“, so Pro Quote Regie. Damit würde die gendergerechte Verteilung der öffentlich-rechtlichen Gelder gewährleistet – gleich, ob es sich hierbei um interne oder externe Produktionen handelt.
Nach der entsprechenden Überarbeitung des ZDF-Rundfunkstaatsvertrages müssten im nächsten Schritt entsprechende Gleichstellungparagraphen dann auch in den Medienstaatsverträgen der ARD und der Dritten Programme folgen. Fast das gesamte fiktionale Programm der Öffentlich-Rechtlichen wird allerdings von Auftragsproduzenten (die zum großen Teil direkte und indirekte Sendertöchter sind) realisiert. Die jetzt mögliche Aufnahme von Gendergerechtigkeit im ZDF-Rundfunkstaatsvertrag als klare Bedingung könnte endlich ein deutliches Signal setzen. Ohne konkrete Anreize und Gesetze hingegen, so die Befürchtung von Pro Quote Regie, werde sich in Deutschland ansonsten nicht viel ändern.

proquote-regie.de
http://meedia.de/2015/02/10/proquote-regie-und-proquote-medien-schliessen-buendnis-auf-der-berlinale/
http://www.zeit.de/kultur/film/2015-02/frauenquote-film-gleichberechtigung
pro-quote.de/